Im realen Leben orientierst du dich am Wetter, aber tust du es auch in deinem Roman? Schlägt das Wetter Kapriolen nach dem Zufallsprinzip, oder planst du es? Manche Romane verzichten vollkommen aufs Wetter, in anderen scheint es ziemlich beliebig. Dafür sind starke Wetterszenen meist unvergesslich. Das Wetter kann zu viel, um es dem Zufall zu überlassen.

Wie beeinflusst das Wetter die Handlung?

Wetter als Kulisse ist ganz nett, aber wirkungslos, wenn es nicht im Zusammenhang mit der Handlung steht. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn du statt der Kulisse, in der deine Figuren agieren, ein Setting machst, aufgrund dessen die Figuren handeln, wie sie es nun mal tun. Wenn das Wetter deine Figuren unter Zugzwang setzt und zum Mitspieler wird. Das Wetter kann zum Beispiel ein schrecklicher Antagonist sein und mit aller Kraft den Protagonisten an der Ausführung seiner Pläne hindern.

Nehmen wir Liliana, die hat Mist gebaut. Sie hat in die Kasse gegriffen, und nun steht eine Betriebsprüfung an. Mit ordentlichem Magengrimmen klappert Liliana ihre Freunde ab, und endlich hat sie das Geld beisammen, jetzt muss sie nur noch am nächsten Morgen die Erste im Büro sein. Nur … In der Nacht schneit es, und am Morgen fährt nichts. Die Straßenbahnen stecken fest, Taxis sind keine aufzutreiben, und zu Fuß braucht sie mindestens zwei Stunden. Während der Typ von der Innenrevision direkt an der U-Bahn wohnt, der spaziert garantiert pünktlich zur Arbeit. Im Schneetreiben hat Liliana gewiss einen ordentlichen Adrenalisschub und der Leser ebenfalls.

Natürlich kann das Wetter deinen Helden auch unterstützen. Ein Regenguss kann ein Liebespaar zusammenführen oder der erschöpften Feuerwehr bei der Bekämpfung eines Waldbrandes helfen. Er kann einen Wanderer vor dem Verdursten bewahren oder einem Bauern die Ernte retten. Und er kann die Flucht deiner Helden begünstigen, weil hinter ihnen die Straße unterspült wird und ihre Verfolger nicht weiter kommen.

Setze das Wetter als Schmelztiegel ein

Du weißt ja, Spannung entsteht durch Konflikte, doch dummerweise neigen Figuren wie reale Menschen dazu, Konflikte nach Möglichkeit zu vermeiden. Du kannst einen Konflikt aber erzwingen, wenn du gegensätzliche Personen auf engstem Raum einsperrst und Fluchtversuche vereitelst, so etwas nennt man Schmelztiegel. Wenn draußen ein Sturm tobt, kann es in einer Berghütte höchst ungemütlich werden und Hüttenkoller ist vorprogrammiert. Unterspülte Straßen können ebenso eine Gesellschaft von der Außenwelt abschneiden, und ein Lawinenabgang trennt ein ganzes Dorf von der Zivilisation.

Spiegelt das Wetter die äußeren Umstände wider?

Mit Wetter assoziieren wir auch gewisse Stimmungen. Ein warmer Sommerregen weckt möglicherweise romantische Gefühle, im November wirkt Regen hingegen ungemütlich. Ein Sturm peitscht die Gräser oder wühlt die See auf, und Figuren, die im Sturm agieren müssen, können sich kaum halten. Eine dicke Nebelsuppe ist undurchsichtig und bedrohlich, sie ist das ideale Setting für Täuschung, Trug und böse Vorahnungen. Und in der gleißenden Sonne wird so manche Wahrheit ans Tageslicht gezerrt.

Eine Metapher für den inneren Zustand

Genauso wie du äußere Bedingungen durch das Wetter verstärken kannst, kannst du auch Gemütszustände symbolisieren. Jemand, der auf Glatteis ins Schleudern kommt oder im Aquaplaning aufschwimmt, hat vielleicht nicht nur äußerlich die Kontrolle verloren. Denk daran, wie manche Gefühle ausgedrückt werden: Sie strahlt – warum nicht dieses Glücksgefühl auch durch Sonnenschein verstärken? Ihn schleudert es – das hatten wir gerade mit dem Glatteis. Sie kommt ins Schwimmen – dafür eignen sich Wolkenbrüche. Das Schicksal beutelt ihn durch – das schreit ja geradezu nach Sturm. Aber Vorsicht, übertreibe nicht. Metaphern und Symbole wirken nur, wenn sie nicht gewollt aussehen.

Magst du Bruch und Ironie?

Ich liebe beides. Ich baue zum Beispiel gerne Idyllen auf, um sie dann zu brechen. Wenn in meinen Texten die Sonne scheint und der Wind im Laub raschelt, ist nicht immer, aber oft etwas im Busch. Wenn du gerne mit Antithesen und Gegensätzen experimentierst, könnte gerade der Widerspruch zwischen Wetter und Gemütszustand spannend für dich sein. Natürlich muss er zur Figur passen, eine Figur, die dem Wetter trotzt, wird schon eine gewisse Stärke oder zumindest Aufmüpfigkeit brauchen. Mitläufer und Duckmäuser sind dafür weniger geeignet.

Mache deinen Leser nass und zerzause ihm die Haare

Das Wetter zu benennen ist gerade so sinnvoll, wie zu erklären, dass ein Dach rot oder eine Figur verliebt ist. Wenn du es nicht fühlst und mit eigenen Augen siehst, nimmst du es möglicherweise zur Kenntnis, hakst die Information aber gleich darauf ab. Lass mich das Wetter fühlen!

Behaupte nicht nur, dass ein Gewitter tobt, sondern zeige, wie deine Protagonistin dagegen ankämpft. Wie sich der Regenschirm immer wieder umdreht und das Gestänge verbiegt. Wie die Abflüsse die Wassermassen nicht mehr aufnehmen können und sie knöcheltief darin watet. Die neuen italienischen Schuhe kann sie wegwerfen, so wie es darin quatscht und schmatzt, und die Bluse klebt ihr am Oberarm, weil der Wind den Regen seitlich unter den Schirm peitscht.

Auch beim Wetter gilt, dass Handlung eindringlicher ist als die malerischste Beschreibung. Der Reiter stemmt sich gegen den Sturm, Liliana wühlt sich durch den Schnee bis zu ihrem Auto, die Sommerreifen drehen im Schnee durch, und der Motor stottert ab. Was machen Figuren bei einem bestimmten Wetter, mit welchen Schwierigkeiten haben sie zu kämpfen und was fällt ihnen dafür leicht?

Bediene so viele Sinne wie möglich

Wetter sieht man nicht nur, in erster Linie fühlt man es. Wende dich an den Tastsinn, stell dir vor, du bist selbst diesem Wetter ausgesetzt, und schreib auf, was du wahrnimmst. Wie bewegst du dich? Tänzelst du beschwingt, schlurfst du matt und erschöpft in den erstbesten Schatten oder musst du dich mit aller Kraft vorwärtskämpfen? Spannt deine Haut oder ist sie von einem Film überzogen? Klappern deine Zähne?

Meistens kannst du das Wetter auch hören. Achte mal auf die unterschiedlichen Geräusche von Regen. Einmal plätschert er, dann rauscht er, dann prasselt er. Wind kann flüstern oder heulen, und manchmal ist das Besondere gerade die gespenstische Stille im Nebel oder die drückende Geräuschlosigkeit in der Hitze. Wie würdest du Donner beschreiben? Hier bietet sich übrigens auch Lautmalerei an. Rollender oder knatternder Donner, klirrende Kälte, gleißende Sonne.

Gerade beim Wetter kannst du einen Sinn ansprechen, den du sonst vermutlich vernachlässigst. Was sagt deine Nase zu Schnee? Hast du schon einmal im Juli die ölige Hitze in Süditalien gerochen? Wie riecht Regen im Wald, wie in der Stadt?

 

Ob du Wetter in deinem Roman einsetzt, bleibt ganz dir überlassen. Doch wenn du es tust, dann zelebriere die große Show. Fahre alle Geschütze auf und setze deine Figuren nicht vor die Kulisse sondern stürze sie mitten hinein!

Viel Spaß beim Schreiben!

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